offener Brief (deutsch)


Offener Brief


An Herrn Ministerpräsidenten ShinzōAbe

An den Sprecher des Unterhauses Herrn Tadamori Ōshima

An den Vorsitzenden des „Sonderausschusses für die Friedens- und Sicherheitslegislation unseres Landes und der internationalen Gesellschaft“ im Unterhaus Herrn Yasukazu Hamada


Erklärung der unterzeichneten Hochschullehrer der Seinan Gakuin-Universität

im Protest gegen die Gesetzesvorlagen zum Sicherheitspakt

sowie

gegen die Gewaltabstimmung über diese auf einer Sitzung des Sonderausschusses im Unterhaus


Heute, am 15. Juli 2015, haben die Parteien der japanischen Regierungskoalition auf einer Sitzung des Sonderausschusses im Unterhaus über die „Gesetzvorlagen zur Friedens- und Sicherheitsordnung“ sowie über die Gesetzesvorlage für ein neues Gesetz zur „Unterstützung des Internationalen Friedens“ gewaltsam abgestimmt. Wir, die unterzeichneten Lehrenden der Seinan Gakuin-Universität, nehmen Stellung gegen die Gesetzesvorlagen zur Friedens- und Sicherheitsordnung, die eindeutig verfassungswidrig sind und den Weg bereiten für einen Schritt Japans hin zu einem möglichen Krieg. Wir protestieren vehement gegen dieses gewaltsame Vorgehen bei der Abstimmung und fordern ihren sofortigen Widerruf und die Ablehnung des Gesetzesantrags.


Vor und während des vergangenen Weltkriegs konnten die Schulen und die Universität der Seinan Gakuin nicht an dem Geist und Motto ihrer Gründung: „Seinan, sei deinem Herrn Jesus Christus getreu!“ festhalten. Sie waren nicht dazu im Stande, Kritik an den politischen Maßnahmen der sich in den Krieg stürzenden Regierung zu üben, und schickten ihre Schüler und Studenten mit den Worten „Kämpft mutig und entschlossen zur Ehre des Kaisers!“ (Seinan Gakuin-Zeitung Nr. 62, 25. November 1943) in den Krieg, wo so vielen das Leben genommen wurde. Und dadurch wurde zugleich über die Menschen im benachbarten Asien unsagbares Leid gebracht. Nie wieder darf es dies geben: der Tod von an die Front geschickten Schülern und Studenten ist ein Tod, der nicht sein darf. Für das Friedensprinzip in der Einleitung unserer Verfassung und für die Ächtung des Krieges in Artikel IX bilden solche Selbstkritik und ein auf diese Weise gefasster Entschluss die Grundlage.


Die Gesetzesvorlagen zum Sicherheitspakt lassen die Ausübung des kollektiven Verteidigungsrechts zu und werden daher von den meisten Verfassungrechtlern als verfassungswidrig bezeichnet. Je nach Einschätzung der Lage durch die jeweilige Regierung wird dadurch militärischer Einsatz der SDF uneingeschränkt möglich. Dass wie in diesem Fall mit einer Gewaltabstimmung ohne ausreichende Beratung und Diskussion, allein durch die Interpretation der aktuell amtierenden Regierung die Aushöhlung der Verfassung betrieben wird, ist ein deutlicher Affront gegen das Verfassungsprinzip, und es zerstört die Grundlage dessen, was das Nachkriegsjapan ausgemacht hat, welches bisher das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und die demokratische Konsensbildung hochgehalten hat.


Auf der Grundlage des wissenschaftlichen Fachwissens im Forschungsgebiet jedes einzelnen und auf der Grundlage des persönlichen Gewissens jedes einzelnen, in der Pflicht dessen stehend, was uns von Geschichte und Gesellschaft als Aufgabe übertragen ist, verurteilen wir nachdrücklich die politische Handlungsweise der Regierung unter der Führung des Ministerpräsidenten Abe, die ohne Übereinstimmung mit dem Willen des Volkes den grundlegenden Prinzipien des Nachkriegsjapans den Rücken kehrt.


Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. (Die Bibel)


Fukuoka, den 16. Juli 2015